Louise-Schroeder-Medaille mit Laudatio vom Lette Verein

Bei der diesjährigen Verleihung der Louise-Schroeder-Medaille hat die Direktorin der Stiftung Lette-Verein, Petra Madyda, die Laudatio gehalten. Ausgezeichnet wurde das interkulturelle Zentrum für Mädchen und junge Frauen MÄDEA in der Grüntaler Straße in Berlin-Mitte.

Mit der Louise-Schroeder-Medaille soll eine Persönlichkeit oder eine Institution geehrt werden, die dem politischen und persönlichen Vermächtnis Louise Schroeders in herausragender Weise Rechnung trägt. So soll das Gedenken an eine Persönlichkeit aufrecht erhalten werden, die sich als Parlamentarierin und spätere Oberbürgermeisterin Berlins (1947-48) große Verdienste um die Stadt erworben hat.

Die Veranstaltung fand am Montag, den 17.05.2021 im Plenarsaal des Berliner Abgeordnetenhauses statt und wurde als Live-Stream auf ALEX-TV gezeigt.

Hier die Aufzeichnung in voller Länge ansehen.

Die Laudatio im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Präsident des Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland,
verehrte Vorsitzende des Kuratoriums der „Louise-Schroeder-Medaille“,
Ines Schmidt
sehr geehrte Konstanze Fritsch, Geschäftsbereichsleiterin, Lebenslagen, Vielfalt und Stadtentwicklung der Stiftung SPI,
liebe Ursula Bachor,
liebe Celiana Kiefer,
liebe Mädchen von Mädea, Emilia Mihalyova, Medina Redjepi, Frida Peter,

„Wenn ich bei Mädea bin, dann bin ich glücklich in meinem Herzen“. Das sagt die 12-jährige Monica am Ende eines Videos, das Mädea zusammen mit vielen Mädchen aus dem Zentrum 2016 produziert hat. Sie sagt es über den Treff, der ihr ganz offensichtlich ans Herz, ja geradezu INS Herz gewachsen ist. Ganz tief in ihr drin fühlt sie sich verbunden, hat eine Heimat gefunden, die sie sicher durch das Leben gehen lässt. In einer Gesellschaft, die von Unverbindlichkeit, immer stärker werdender Vereinzelung und Heimatlosigkeit geprägt ist, ist es wichtig, einen festen Stand zu haben. Wissen, wer man ist und wo man hinwill.

Junge Mädchen und Frauen stärken. Auf den Weg bringen. Selbstbestimmt. Kritisch, stark und empathisch. So nehme ich die Arbeit dieser wichtigen Institution Mädea wahr.
Besser geht es aus meiner Sicht nicht, meine Damen und Herren.

Ich freue mich, dass ich hier heute die Laudatio für Mädea halten darf. Denn Mädea und mich verbindet mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Seit 2009 darf ich die Direktorin eines Hauses sein, das sich schon vor 155 Jahren dafür eingesetzt hat, jungen Frauen eine bessere Stellung in der Gesellschaft zu ermöglichen:

Der Lette Verein Berlin

Gegründet vom Juristen und Sozialpolitiker im Preußischen Abgeordnetenhaus, Wilhelm Adolf Lette. Gemeinsam mit rund 300 männlichen Sozialreformern gründete er 1866 den „Verein zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts“.

Das Thema, das mit der Verleihung der Louise-Schroeder-Medaille verbunden ist, ist das Sichtbar-machen von starken Frauen. Louise Schroeder. Sie hat eine Marke mit ihrer Pionierinnenarbeit als erste Oberbürgermeisterin von Berlin gesetzt und ist so ein Vorbild für junge Frauen und Mädchen geworden. So eine Frau war übrigens auch Ella Barowsky, die erste Bezirksbürgermeisterin in Schöneberg und Direktorin der Stiftung Lette Verein. 2003 bekam diese bemerkenswerte Frau die Louise-Schroeder- Medaille. So schließt sich in gewisser Weise ein Kreis: Louise-Schroeder, Ella Barowsky, die Stiftung Lette-Verein und Mädea. Das erfüllt mich mit Stolz, denn es zeigt: es ist alles vorhanden. Man muss es nur sichtbar machen. Davon erzählen, damit es noch viel größer werden kann.

Berlin – Stadt der Frauen

Hier ist heute eine Pionierin im Raum, die sich darum bemüht hat, Frauen mit unterschiedlichen kulturellen Herkünften zusammenzubringen, zu stärken und sichtbar zu machen. Ihre intensive Arbeit hat es ermöglicht, dass aus dem ehemaligen „Mädchenladen Wedding“ aus den 1980-Jahren im Oktober 1997 Mädea wurde. Eine Institution, die viele junge Mädchen mit glühenden Herzen und voller Selbstbewusstsein auf dem Weg in die Welt begleitet, so wie Monica.

Ursula Bachor ist die Frau, von der ich rede.

Sie haben zusammen mit Eva Palej das Konzept für Mädea entwickelt und konnten so dafür sorgen, dass Mädea von der Stiftung SPI getragen und damit auch finanziell gesichert werden konnte. Das war, wie wir aus Gesprächen mit Ihnen wissen, im Bereich „Jugendarbeit für Mädchen“ durchaus nicht immer sicher. Immer wieder standen Projekte, die sich um die Begleitung und Unterstützung von jungen Mädchen bei ihrer Entwicklung kümmerten, vor dem Aus.

Mädea ist ein Ort, der das Ziel der Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern und Kulturen verfolgt und dafür sorgt, dass das Ganze auch noch Spaß macht. Die Mädchen produzieren Videos, Theaterstücke, Texte oder auch plastisch-künstlerische Arbeiten und beschäftigen sich so mit diesem Thema. Und sie mischen sich ein. „Sie sollen sichtbar sein und an gesellschaftlich-politischen Prozessen teilhaben lernen.“, sagte Ursula Bachor in einem Vorgespräch zu dieser Verleihung. So lernen die Mädchen zum Beispiel auch, wie man eine Initiative gründet.

Wie wichtig es ist, auch mal etwas zu wagen und sich über Konventionen hinwegzusetzen, kann ich vielleicht auch an einem Beispiel vom Lette Verein darstellen.

Als Anna Schepeler-Lette die erste Schulgründung einer Handels- und Gewerbeschule im Lette Verein durchsetzte – das war 1872 – da war sie schon eine Marketingexpertin, als es das Wort Marketing noch gar nicht gab. Um das Haus bekannter zu machen, hat sie einfach an ihren Ehenamen Schepeler Lette angehängt. Zu dieser Zeit gab es noch gar keine Doppelnamen. Sie hat gesagt: Na und? Ab jetzt habe ich einen. 1890 hat sie dann auch noch die fotografische Lehranstalt gegründet und damit die vollzeitschulische Berufsausbildung erfunden. Sie hat es einfach gemacht.

1876 noch hat der Lette Verein in seiner eigenen Hauszeitschrift geschrieben, dass er „in ruhiger, gemäßigter und praktischer Weise für eine Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Stellung von Frauen wirken“ möchte.

Erst 1919 mit der Einführung des Frauenwahlrechts sprach sich der Vorstand des Lette-Vereins klar für die politische Emanzipation von Frauen aus.

Man wollte damals freundlich wirksam sein. An dieser Stelle sehe ich wieder einen Zusammenhang mit Mädea. Alles, was ich in den vielen wirklich sehr schönen Projekten und vor allem Videos erkennen kann, ist Liebe und Vertrauen. Nur so kann ich mir erklären, dass die Mädchen hier sehr viel Spaß haben. Nur wer Vertrauen hat und sich in einer liebevollen Umgebung ausprobieren kann, kann herzlich lachen, wie die Mädchen von Mädea. Und sie sind laut.

Das ist der Unterschied zum Lette Verein vor über 100 Jahren. Und das ist gut so. Die Mädchen von Mädea sind laut, aber lustig und sagen: Hier sind wir und wir gehen nicht weg!

Ich bin mir sicher, dass es in Zukunft mit dem Team von Celiana Kiefer, Eylem Boszkaya, Olivia Kossobucki und Anne Grabow noch viele Monicas geben wird, die sagen können:

„Wenn ich bei Mädea bin, dann bin ich glücklich in meinem Herzen“

Herzlichen Glückwunsch zu allem, was sie geschafft haben und zur verdienten Louise-Schroeder-Medaille 2021.

 

Skip to content